Dienstag, 13. März 2012

Welt Online: "Frauen schlagen häufiger"

Gerade habe ich auf Welt Online diesen hervorragenden Artikel zu häuslicher Gewalt gefunden, in dem systemtisch mit dem feministischen Klischeebild des allein männlichen Täters und des allein weiblichen Opfers im Bereich der häuslichen Gewalt aufgeräumt wird. Das, worauf Männerrechtler, Maskulisten und Antifeministen schon seit Jahren immer wieder hingewiesen haben, sickert nun also endgültig in den medialen Mainstream hinein.

Zu diesem Artikel passt gut der folgende Bericht, in dem beschrieben wird, dass Jungen häufiger als Mädchen von ihren "Müttern und Vätern" (steht so im Artikel!) geschlagen werden. Beide Artikel habe ich durch den Maskulisten Müller im alten, gelben Forum gefunden und ich hielt sie für so wertvoll, dass ich gleich hier mal darauf hinweise.

Unbedingte Leseempfehlung!

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Frauen schlagen häufiger

Wenn es um Gewalt in der Familie geht, gelten ausschließlich die Männer als Täter. Dabei zeichnen alle Studien ein ganz anderes Bild

Gewalt in Partnerschaften, Ehen und Familien ist ein großes gesellschaftliches Problem. Besonders die Gewalt gegen Kinder, deren Folgen nicht bearbeitet werden, hat nachweislich die unheilvolle Konsequenz, dass sie wie ein psychologisches Erbe an die nächste Generation weitergegeben wird. Ob diese Vererbung stattfinden kann, hängt von der Bereitschaft der Gesellschaft ab, den Tatsachen der Gewalttätigkeit ins Auge zu sehen. Wissen wir, wer wen wie oft und wie heftig und aus welchen Gründen schlägt? Wir könnten es wissen und sinnvolle politische Maßnahmen daraus herleiten, denn der Reichtum an Forschungsergebnissen ist schier unendlich. Aber weil Gewalt in Partnerschaften von den meisten als beschämend und gegenüber Kindern als Versagen erlebt wird, finden Forschungsergebnisse, die uns weiterbringen, nur schwer Eingang in den öffentlichen Diskurs. Wir reden zwar seit mehr als 20 Jahren über Gewalt, aber hauptsächlich unter der entlastenden Perspektive, dass ausschließlich Männer gewalttätig seien, dass Gewalt von Frauen gegen den Partner wie die Kinder davon ausgenommen sei. Vielmehr ist es zum beliebten Ritual geworden, Frauen und Kinder als eine ungeteilte Gemeinschaft von Geschädigten oder in der üblich gewordenen Redeweise als Opfer männlicher Gewalt zu beschreiben.

Allerdings hat diese Sicht vor dem Blick der empirischen Wissenschaft keinen Bestand. Es handelt sich vielmehr um eine Wunschvorstellung, die gänzlich im Widerspruch zu den Erkenntnissen der Wissenschaft steht. Der gewalttätige Alltag von Partnern sieht ganz anders aus. Eigentlich könnten wir das seit 1975 wissen, als der Senior der empirischen Gewaltforschung, Murray L. Straus, mit Kollegen seine erste Studie dazu vorlegte. Er war ausgezogen, das Übergewicht männlicher Gewalttätigkeit einmal exakt zu erforschen. Und zu seinem Erstaunen fand er etwas ganz anderes heraus: 12 Prozent der Männer und 11,6 Prozent der Frauen sind familiär gewalttätig. Schwer gewalttätig sind 4,6 Prozent der Frauen und 3,8 Prozent der Männer. Inzwischen haben mehr als 200 Studien vor allem aus den USA und Kanada diesen Sachverhalt bestätigt und ausdifferenziert.

Wir müssen deshalb von einer symmetrischen Verteilung von Gewalttätigkeit in Ehen und Partnerschaften ausgehen, wenn wir gesundheitspolitische Lösungen dafür finden wollen. Alles andere ist ein Irrweg und würde niemandem helfen. Woran es gelegen hat, dass diese eindeutigen Studien über mehr als 20 Jahre das Licht der Öffentlichkeit nicht erblicken konnten, ist eine machtpolitisch wie sozialpsychologisch äußerst interessante Frage. Eine erste Antwort ist sicher, dass es gesellschaftspolitisch, aber auch für die Beziehungen von Männern und Frauen, immer bequemer ist, wenn es festgelegte Schuldzuweisungen gibt. Zumal wenn sie in der Beziehung dann nicht mehr geklärt werden müssen, weil die Schuld der Männer bereits Bestandteil der öffentlichen Meinung ist. Das beschreibt mehr oder weniger die augenblicklichen Verhältnisse.

Alle Studien belegen aber, dass Gewalt nichts typisch Männliches ist, sondern dass Frauen wie Männer in Konflikten irgendwann mit Worten nicht mehr weiterkommen und stattdessen die Fäuste sprechen lassen. Dem entsprechen in der Kategorie der leichten Gewalt das Werfen mit Gegenständen, leichte Schläge, heiße Flüssigkeiten, Schubsen, Tritte gegen das Bein. Und in der Kategorie der schweren Gewalt sind es Angriffe mit Messern, Schlagen, Würgen, Boxen mit der Absicht, den anderen körperlich zu verletzen etc. Auch in der Unterscheidung von schweren und leichten Gewaltformen besteht zwischen Männern und Frauen Symmetrie - eben kein Unterschied.

In einer der jüngeren repräsentativen Studien (aus den mehr als 200 erwähnten) des Center for Disease Control and Prevention in Atlanta, veröffentlicht im Mai 2007 im "American Journal of Public Health", wird dokumentiert, dass in fast 24 Prozent aller Partnerschaften und Ehen es zu irgendeiner Form von Gewalt kommt. In 50 Prozent der Fälle geht die Gewalt nur von einem Partner aus. In der anderen Hälfte werden beide gemeinsam gewalttätig. Unter den 50 Prozent mit einem Alleinverursacher sind 70 Prozent Frauen. Auch die 32-Nationen-Studie unter Studenten an 68 Universitäten von Murray A. Straus von der New Hampshire University kommt zu ähnlichen Resultaten. Während der letzten zwölf Monate hatte fast ein Drittel der männlichen wie weiblichen Studenten - immer nach deren eigenen Angaben - den Partner körperlich attackiert. Die größte Häufigkeit entfiel auf gemeinsam begonnene Gewalt. Gefolgt von Gewalt von weiblichen Studenten.

Männer, die mit Gewalt beginnen, stellen demnach - gänzlich gegen die gängige Meinung - die kleinste Gruppe dar. Auch die Motive, die Gewalt auslösen, sind symmetrisch verteilt. Sie sind ausgesprochen vielfältig und immer in die Paardynamik eingebettet. Anlässe wie Ärger, Eifersucht, Kränkung und Untreue (Fremdgehen) können Auslöser für gewalttätige Sprachlosigkeit sein.

Einer der großen Risikofaktoren ist der Wunsch eines Partners, den anderen zu dominieren. Aber auch hier ist der Anteil von Männern und Frauen gleich. Partnerschaften, die egalitär sind und viele Gemeinsamkeiten kennen, sind im Gegensatz zu hierarchisch strukturierten Beziehungen, wo jeder seinen eigenen Machtbereich - Beruf versus Familie - umsichtig verteidigt, weniger vom Wechsel von Sprache zur sprachlosen Gewalt gekennzeichnet. Die Behauptung, dass allein Männer gewalttätig seien, weil sie meinten, dass das Patriarchat ihnen dazu alles Recht der Welt gäbe, lässt sich statistisch ebenso wenig bestätigen. In einer Studie haben nur fünf Prozent der Männer eine solche Selbstverständlichkeit bejaht. Ähnliche Befragungen über Frauen wurden bislang nicht durchgeführt.

Diese Daten legen bereits nahe, dass alle staatlichen Gewaltschutzprogramme für Frauen und Kinder, und nur solche gibt es, auf Annahmen beruhen, die einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht standhalten. Die Finanzierung einschlägiger Einrichtungen lässt sich demnach nicht legitimieren. Zumal Gewalt in Familien von Vater und Mutter an ihren Kindern ebenfalls keine männliche Alleintäterschaft kennt. Vielmehr schlagen Mütter ihre Kinder sogar häufiger als Väter. Sowohl was leichte Schläge wie schwere Züchtigungen angeht. Ob die durchschnittlich größere gemeinsam verbrachte Zeit der Mutter mit ihren Kindern eine tragfähige Erklärung dafür ist, sei dahingestellt. Da vielen Frauen das Schlagen unmütterlich dünkt, sie aber an der Notwendigkeit der körperlichen Züchtigung festhalten, delegieren sie nach einem alten Brauch das Schlagen an den Vater. Der vollstreckt dann gehorsam, was von ihm im Anschluss an den Arbeitstag erwartet wird. Die Schriftsteller Peter Weiss und Lara Cardella haben die unterschiedlichen Varianten dieser Bestrafungen in ihren biografischen Notizen sorgfältig beschrieben. In meiner Forschung über das Verhältnis von Söhnen zu ihren Müttern berichteten 40 Prozent der Männer von dieser traditionellen Arbeitsteilung zwischen ihrem Vater und ihrer Mutter.

Was aber können jenseits von nüchternen Zahlen partnerschaftliche Situationen sein, aus denen Gewalthandlungen entstehen? Die Vielfältigkeit ist nur schwer zu systematisieren, wie die Beispiele zeigen. So schlägt eine Frau zu, weil ihr Mann ihre Autorität vor den Kindern untergräbt. Eine andere schlägt ihrem Freund ins Gesicht, weil der Sexualakt ihre Erwartungen nicht erfüllte oder weil der Ehemann kein Beziehungsgespräch spät abends führen will. Ein Ehemann gibt seiner Frau am Familientisch eine Ohrfeige, weil die Suppe ihm zu dünn ist oder die Frau seinen Anweisungen nicht folgt oder sie die Kinder nicht im Park spielen ließ oder zu teuer eingekauft hatte. Und ebenso ist die Untreue ein häufiger Anlass trotz libertinärer Sexualmoral. Mit Sicherheit geht es immer um das Gefühl, gekränkt, missachtet und ärgerlich zu sein - letztlich um Beschämung. Und die macht in aller Regel kaum jemanden redselig.

Gewaltepisoden geschehen durchaus auch öfters. Meine Forschung mit Scheidungsvätern zeigte, dass Schläge unter früher bereits gelegentlich sich Schlagenden sich dann häufen. Die geschiedenen Männer nannten zu 60 Prozent ihre ehemalige Partnerin oder Ehefrau als die allein Schlagende. Allerdings fehlen Vergleichszahlen aus der Sicht geschiedener Frauen. Dann wiederum gibt es Beziehungen, in denen Gewaltepisoden regelmäßig auftreten und Teil des Alltags sind und der Versöhnung stiftenden sexuellen Vereinigung regelmäßig vorausgehen. Keiner der beiden beschuldigt den anderen oder sucht Abhilfe beim Psychotherapeuten oder der Polizei.

Solange das Feindbild vom allein gewalttätigen Mann noch Öffentlichkeit und Medien beherrscht, solange werden wir bei der Lösung des gesellschaftlichen Problems gewalttätiger Ehen, Partnerschaften und Familien nicht vorankommen. Feindbilder blockieren zumal die Sensibilisierung der Wahrnehmung. Wir brauchen eine informierte Öffentlichkeit und hoch qualifizierte Professionelle, die vor dem Hintergrund symmetrisch verteilter Gewalt Männern, Frauen und Kindern helfen, sich aus ihrer sprachlosen Destruktivität zu befreien, um sich im Gespräch wieder zu verständigen. Unterlassen wir das, so werden wir der Ausbreitung einer Kultur der sprachlosen Gewalt in Beziehungen und Familien Vorschub leisten.

Der Autor ist Gründer des Instituts für Geschlechter- und Generationenforschung der Universität Bremen. 2011 erscheint sein Buch: "Bitte nicht schlagen! Gewalt in Partnerschaften und Familien".

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