Sonntag, 28. November 2010

Agentenbericht von hinter der Front

Arne Hoffmann und Eugen Maus von Manndat unterwanderten den "Maskulisten-sind-rechtsextrem"-Vortrag von Isolde Aigner in Mainz und beide schrieben einen ausführlichen Bericht über dieses hochnotpeinliche Ereignis. Den Text muss man einfach gelesen haben. So here it goes ...

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"MÄNNERRECHTLER_INNEN- Die Bewegung, ihre Positionen und Handlungsfelder" – unter diesem Titel wurde auf eine Veranstaltung hingewiesen, die am Freitag, dem 26. November, im Haifa-Saal des Mainzer Rathauses stattfinden sollte. Die Beantwortung folgender Fragen wurde versprochen: "Wer oder was sind die Maskulinisten? Welche Positionen vertreten sie? Welche Strategien entwickeln sie, um an gesellschaftliche Debatten anzuknüpfen und wo können Querverbindungen wie inhaltliche Parallelen zur extremen Rechte gezogen werden?"

Och jo, sagte ich daraufhin zu mir, Rechtsextremismus und Männerbewegung, du interessierst dich für beides, das eine findste doof, das andere cool, für absurdes Theater haste auch'n Faible, also kannste dir das ja mal reintun. Am Freitagmittag ruft dann auch noch Eugen Maus, Chefe von MANNdat, bei mir an, berichtet, er wolle diesen Vortrag besuchen, ob ich nicht einen aus Mainz wüsste, der vielleicht auch Interesse daran hätte. Kurz überlegen wir, ob wir damit rechnen müssen, aus dem Saal geworfen zu werden, wie es einem sonst nur in der Frauenbibliothek der Mainzer Uni passiert, aber es handelt sich bei diesem Vortrag schließlich um eine öffentliche Veranstaltung. Dass wir nicht unerkannt bleiben werden, ist uns natürlich klar – schon der Versuch wäre ähnlich albern, wie wenn Angela Merkel persönlich den Maulwurf bei einer Veranstaltung gegen die CDU spielen wollte. Feministinnen sind schließlich nicht bescheuert. Wir beschließen, uns im Mainzer Rathaus zu treffen und unser Glück zu versuchen. Sicherheitshalber stecke ich mal ein paar Flyer von AGENS ein; man weiß ja nie.

Pünktlich um 16:20 Uhr, wie es meine Art ist, treffe ich im Rathaus ein. In der Vorhalle erwartet mich eine Ausstellung mit der Überschrift "Feind ist, wer anders denkt" über die Geschichte der DDR. Na so was, freue ich mich, da haben die Mainzer Karnevalesen sich mit der Kombi dieser Ausstellung und dem heutigen Vortrag ja richtig was bei gedacht. War nicht auch für die strammen Sozialisten die gesamte DDR ein einziger Kampf gegen rechts, mit der Mauer als antifaschistischem Schutzwall, den Bürgerrechtlern als Volksschädlingen und so weiter? Ich vertiefte mich ein wenig in die ausgestellten Texte, um auf das Kommende vorbereitet zu sein. An mir tappt eine stämmige Matrone mit einem lila Filzhut vorbei und verschwindet in einem der Gänge. Dort geht es also zum Haifa-Saal, denke ich mir, und folge der Frau. Bingo.

Kurz vor fünf kommt Eugen angeschnauft und setzt sich neben mich, wofür wir einen Studenten vertreiben müssen. Die Tische stehen in einem Quadrat zur Raummitte ausgerichtet, so dass von seinem Platz aus jeder denjenigen ansehen kann, der gerade spricht. Man darf sich das wie ein etwas größeres Klassenzimmer vorstellen, in dem der Frontalunterricht abgeschafft wurde. Mit 32 Leuten ist der Raum fast voll besetzt, trotz des Schneegestöbers draußen und obwohl das Rathaus von der Uni aus gesehen am gegenüberliegenden Ende der Stadt liegt. Es sind etwas mehr als 20 Frauen und etwas weniger als 10 Männer gekommen, die meisten Anfang 20; sie sehen so aus wie die Leute, mit denen ich damals selbst im Fachschaftsraum rumgegammelt habe. Die allermeisten kennen sich anscheinend, denn sie sprechen sich im Verlauf des Abends immer wieder mit Namen an.

Nur drei ältere Frauen sind erschienen, eine davon stellt sich als Leiterin des Mainzer Frauenbüros vor, was man ihr aber eh schon hatte ansehen können. Sie spricht ein kurzes Grußwort und weist noch einmal auf die Aushänge an den Wänden hin, auf denen jeweils groß geschrieben steht, dass hier Film- und Audioaufnahmen streng verboten seien. Es hätten nämlich in diversen Internetblogs und -foren Maskulisten gedroht, diese Veranstaltung zu stören und aufzumischen. Zwischen ihren beiden Sätzen besteht kein logischer Zusammenhang, aber wir nicken alle verständnisvoll. Ich frage mich kurz, ob ich als böser Männerrechtler nicht wenigstens der Form halber die Zähne fletschen sollte, aber ich kann mir natürlich gut denken, warum man hier lieber nicht möchte, dass von dieser Veranstaltung irgendwelche Aufzeichnungen existieren. Das mitten zwischen den Studenten zwei ältere, wildfremde Männer sitzen, von denen einer jeden Mist mitschreibt wie bescheuert, macht hier niemanden stutzig. Vermutlich nimmt man an, die Mainzer Lokalpresse sei an dieser Veranstaltung brennend interessiert.

Auch das Asta-Frauenreferat spricht ein kurzes Grußwort. Dann stellt sich Isolde Aigner selbst vor, kündigt einen Vortrag von etwa zwanzig Minuten an, nach dem wir vier Arbeitsgruppen bilden werden, um verschiedene Unterthemen zu behandeln. Dann kommt sie zum Thema.

Die Männerrechtsbewegung (Maskulismus) bestehe aus vier verschiedenen Fraktionen: den martialisch-aggressiven Bloggern, den Väterrechtlern, Männerrechtlern wie MANNdat sowie schließlich vordergründig gemäßigt wirkenden Gruppen wie AGENS, die aus Autoren eines Sammelbandes mit dem Titel Befreiungsbewegung für Männer (vereinzeltes Lachen im Publikum) hervorgegangen sei. Bereits sein Titelbild mache die Opferhaltung dieser Bewegung deutlich. (Feministinnen wollen keine männlichen Opfer, sollte ich hier vielleicht erklärend hinzufügen.) Problematisch sei darüber hinaus der Männerforscher Walter Hollstein, der verschiedentlich eine mediale Verunglimpfung des männlichen Geschlechts beklagt habe und jene Männer kritisiere, die mit ihrer Radikalität noch jede Feministin zu überbieten versuchten. Ein besonders reaktionäres Forum sei "Wieviel Gleichberechtigung verträgt das Land?". Und schließlich versuchten die Männerrechtler, Blogs wie das der Mädchenmannschaft mit ihren von der Linie dieser Blogs abweichenden Kommentaren zu vereinnahmen. Generell fänden sich in Foren und Kommentarspalten immer wieder Sätze wie "Ihr Feministinnenpack gehört täglich vergewaltigt". Auch würden Feministinnen die Nürnberger Prozesse an den Hals gewünscht, auch diese Verwendung von Sprache im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus sage ja schon einiges. Auf einen gewissen Arne Hoffmann wolle sie noch ausführlicher zu sprechen kommen. Mein Lieblingsthema! Fast klopfe ich in spontaner Begeisterung auffordernd auf den Tisch, aber dankenswerterweise drückt Eugen rechtzeitig meinen Arm herunter.

Zunächst einmal geht Isolde Aigner noch einmal auf die Niersteiner Erklärung ein. Darin werde doch tatsächlich behauptet, dass der Prozess der Gleichstellung abgeschlossen sei, dass es keine weitere (!) Benachteiligung des männlichen Geschlechts geben solle, und es wird darin von einer Komplementarität der Geschlechter ausgegangen. Einen Moment lang bleiben diese skandalösen Sätze im Raum hängen, bevor Isolde Aigner damit fortfährt, dass auch AGENS, ganz wie die extreme Rechte, das Gender-Mainstreaming zum Feindbild erklärt habe. Und auch bei AGENS würden nicht-traditionelle Männer als männerfeindlich und selbstverleugnend betrachtet.

Es geht weiter mit munterem Fabulieren: So sei die Junge Freiheit ein ganz großes Sprachrohr für die Männerrrechtsbewegung. Besonders dieser Arne Hoffmann versorge sie immer wieder mit Artikeln und Interviews. Er sei auch Mitglied von AGENS, Verfasser der mehrere 100 Seiten dicken Klageschrift "Männerbeben" und Autor des rechtsliberalen Magazins "eigentümlich frei". Darüber hinaus stelle er dem Forum "Wieviel Gleichberechtigung verträgt das Land?", das wiederum mit der Naziplattform Altermedia in Verbindung stünde, seine Artikel zur Verfügung. Isolde Aigner erwähnt auch, dass wir schon mal ausführlich Mailwechsel miteinander hatten, geht auf dessen Inhalt aber nicht ein. Das ist verständlich, denn andernfalls hätte sie beispielsweise erwähnen müssen, dass ich genau einen Artikel (ein Porträt des Männerrechtlers Michail Savvakis) für die Junge Freiheit geschrieben habe, dass dies inzwischen nicht mehr infrage kommt, weil wir gerade bei unseren zentralen Themen Migration und Integration komplett entgegengesetzte Ansichten haben, dass "Wieviel Gleichberechtigung verträgt das Land?" ein offenes Diskussionsforum ist, in dem irgendein Heini Links auf Altermedia hinterlassen hatte, worauf ich öffentlich protestiert und mich aus diesem Forum zurückgezogen hatte, was mir von den wenigen tatsächlichen Rechtsauslegern in den Geschlechterforen bis heute anhaltendes Mobbing einbrachte. Das alles und einiges mehr hätte Isolde Aigner erwähnen können, sie weiß von meinen diversen Aktivitäten und Vernetzungen gegen Fremdenfeindlichkeit und kennt natürlich auch dieses Blog hier, dessen politische Haltung unmissverständlich ist, aber sie erwähnt nichts davon, weil das nicht in ihr Zerrbild von mir passen würde. Und vermutlich stellt sie sich nicht einmal die Frage, ob es vielleicht moralisch falsch ist, was sie da tut. Ich hingegen denke mir, Hase, ich sitze dir schräg gegenüber, während du diese Nummer abziehst, und du checkst es nicht mal. Hat dir deine Mutter nie beigebracht, was von Menschen zu halten ist, die in vermeintlicher Abwesenheit anderer üble Dinge über sie behaupten? Isolde Aigner aber versteigt sich immer weiter in ihren Konstruktionen, denen zufolge die Neue Rechte ebenso wie AGENS eine Feminisierung der Gesellschaft beziehungsweise Schule beklage, und dass die Männerrechtsbewegung tatsächlich davon ausgehe, dass das Geschlecht auch biologisch bestimmt werde ... und, naja, für seinen Biologismus sei ja schließlich auch der NS- Ideologe Rosenberg bekannt gewesen. Wie vieles hätte man hier noch ergänzen können: Sowohl AGENS als auch die Nationalsozialisten finden eine Anarchie als Staatsform eher unschön, mögen keine Vulkanausbrüche in unmittelbarer Nachbarschaft und vertreten die Ansicht, dass Afrika größer ist als Australien. Frau Aigner, das kann man doch noch ausbauen!

Stattdessen kommt die Vortragende nun auf einen Punkt zu sprechen, der mich ebenfalls sehr interessiert: die Strategien der Männerbewegung – hatte ich doch bisher immer angenommen, wir wurstelten mehr oder weniger ziellos vor uns hin. Stattdessen seien unsere Strategien die folgenden: die Selbstviktimisierung, die Instrumentalisierung von Einzelfällen häuslicher Gewalt für unsere Ideologie, der Gebrauch von NS-Vokabular (wie "Feminazi") und die Verwendung von Euphemismen wie Freiheitsbewegung und Geschlechterdemokratie für unsere Zwecke. Na sowas, hatte nicht erst gestern die Goslar Gleichstellungsbeauftragte Monika Ebeling erklärt, dass genau das Strategien sind, die gerade Feministinnen verwenden? Nach der Logik Isolde Aigners müsste sie das zu Gesinnungsgenossen der Neuen Rechten machen.

Die Maskulisten, erklärt Isolde Aigner, machten sich geschickt männerpolitische Lücken wie das Vereinbarkeitsproblem zwischen Familie und Beruf, das auch Männer treffe, oder den fehlenden Männergesundheitsbericht zu Nutze. Solange diese Probleme nicht gelöst werden, könnten maskulistische Ideologen sie besetzen. Na super, denke ich mir, dann lösen wir diese Probleme eben gemeinsam, aber statt dass sie sich mit uns zusammensetzt, wie ich es ihr vorgeschlagen hatte, steigert sie sich in ihre Hetzrede hinein. So wie sie jetzt zum Beispiel erklärt, dass die maskulistische Bewegung leider auch von Wissenschaftlern wie Klaus Hurrelmann profitiere, der die Maskulisten doch tatsächlich mit der Fundi-Strömung der Grünen vergleiche! Durch das Publikum geht ein halb empörtes, halb amüsiertes Schnauben.

Isolde Aigner schließt ihren Vortrag damit, dass die Gefahren, die von dieser Bewegung ausgingen, noch immer nicht deutlich genug artikuliert seien – insbesondere, was ihre Anschlussfähigkeit an den Mainstream angehe.

Nun soll es Gelegenheit zu Fragen aus der Zuhörerschaft geben, wofür natürlich eine frauenquotierte Redeliste angelegt wird. Das ergibt Sinn, wenn etwa doppelt so viele Frauen im Raum sind wie Männer.

Als erstes kommt aber immerhin ein junger Mann zu Wort, der links hinten sitzt und einwendet, dass man im Internet an allen Ecken und Enden saudämliche und hochaggressive Kommentare fände. Ob sich die Vortragende denn sicher sei, dass hier nicht zum Beispiel pubertierende Jungen über die Stränge schlugen? Die Vortragende ist sich nicht sicher, meint aber, diese Äußerungen gebe es nun mal und das sei schlimm genug.

Jetzt ist die Frau mit dem lila Filzhut an der Reihe und empört sich darüber, dass in dem Forum "Wieviel Gleichberechtigung verträgt das Land?" tatsächlich jemand mit dem Nick "Potentieller Vergewaltiger" sein Unwesen treibe. (Einem bekannten feministischen Slogan zufolge sind alle Männer potentielle Vergewaltiger, aber diesen intellektuellen Klimmzug schafft der Filzhut nicht.) Darüber hinaus interessiert sich die Dame für den Unterschied zwischen MANNdat und AGENS. Daraufhin plaudert Isolde Aigner ein wenig unbedacht aus dem Nähkästchen und berichtet von ihrem Informanten, der erst bei MANNdat und dann bei AGENS Mitglied gewesen ist. Ich seufze innerlich auf und denke mir, okay, dass Thomas Schmidt nach diversen Streitereien mit Eugen, mit Christine und mit "Nihilator" schwer gekränkt war, kann ich ja nachvollziehen, aber dass der Typ jetzt ununterbrochen durch die Lande zieht und nicht nur feministische Autoren mit Kommentaren vollsülzt wie "Das haben Sie wirklich schön gesagt, so toll, ich bin hingerissen, so super hätte es kein anderer formulieren können, nicht mal ich", sondern dass er auch bei jeder sich bietenden Gelegenheit versucht, seinen ehemaligen Mitstreitern eins reinzuwürgen, kann einem auf die Dauer schon ein bisschen auf die Nüsse gehen. Aber auch seine Auftritte gehören mittlerweile wohl zur aktuellen Geschlechtersoap dazu.

Der nächste Mann in der Runde stimmt seinem Vorvorredner zu und weist noch einmal darauf hin, dass im Internet eben viele Honks säßen, deren Äußerungen nicht unbedingt dazu geeignet seien, sich ein realistisches Gesamtbild über eine Bewegung zu verschaffen. Das will Isolde Aigner natürlich nicht gelten lassen: Gerade dass die Anonymität des Internets zu einer besonderen Radikalität führe, mache solche Äußerungen für eine Analyse besonders interessant.

Eine Zuhörerin fragt, was genau die Definition von Maskulismus sei, wie sein konkreter Gesellschaftsentwurf aussehe und wie er sich von der üblichen Männerbewegtheit abgrenze. Sie erhält zur Antwort, dass die Grenzen sicher fließend seien, grundsätzlich seien die Maskulisten gegen eine Quotierung, wollten auch Frauen in den beschissenen Jobs wie etwa Mülkutscher und mehr Männer in der Bildung. Na super, denke ich mir, du hast ja "Männerbeben" echt gründlich gelesen. Wenigstens die Kurzfassung von MANNdat hätteste dir ja mal reintun können. Aber gut, was die Männerbewegung eigentlich will, ist im Zusammenhang dieser Veranstaltung vermutlich auch unwichtig.

Der nächste will die genaue Rolle der Niersteiner Erklärung erfahren. Isolde Aigner ist sich unsicher, wie genau die zeitliche Reihenfolge ist, was diese Erklärung und die Gründung von AGENS angeht, und verheddert sich ein bisschen. Ich zwinge den Drang nieder, mich zu melden und zu schildern, wie genau das damals ablief am schönen Ufer des Rheins. Möglicherweise wäre dann selbst Isolde Aigner, die sonst hinter jeder Ecke eine drohende Gefahr sieht, dem Typen gegenüber, der da vor ihr hockt, ein wenig misstrauisch geworden.

Eine weitere Zuhörerin erkundigt sich, wie die Männerbewegung denn national und international organisiert sei. In der Schweiz solle es vor kurzem eine Antifeminismus- Konferenz gegeben haben! Ob denn etwas über eine Verknüpfung mit rechten Bewegungen bekannt sei? Isolde Aigner weiß dazu nichts Konkretes zu sagen, außer dass es bei dem Schweizer Treffen generell zu übernationalen Verbindungen gekommen sein soll. Diskreditiert habe sich in ihren Augen jedenfalls der Männerkongress, der im Februar in Düsseldorf stattfand, weil die Veranstalter Professor Amendt nicht ausgeladen hätten. (Die Morddrohungen gegen Professor Amendt vor dem Kongress lässt Isolde Aigner unerwähnt.) Problematisch sei auch Karl-Heinz van Lier, der bei der Konrad-Adenauer-Stiftung tatsächlich Maskulisten habe sprechen lassen. Die genauere Erforschung einer Verknüpfung mit der extremen Rechten interessiere sie nicht so sehr, meint Isolde Aigner, sie sei schließlich nicht der Verfassungsschutz.

Noch einmal meldet sich der junge Mann links hinten und fragt, warum alle Maskulisten ein Buch über Eva Herman geschrieben hätten. Bei dieser Gelegenheit erwähnt er, dass von diesem Arne Friedrich – oder so ähnlich – ja auch ein Buch mit dem Titel "Onanieren für Profis" stamme. (Das und noch viele heftige Dinge mehr, mein Junge.) Als sich die Unruhe im Publikum legt, weiß Isolde Aigner zu berichten, dass Arne Hoffmann ein großer Verfechter der Meinungsfreiheit und ein Gegner der Political Correctness sei, etwa so wie das Blog "Politically Incorrect", das "ja auch extrem" sei. (Supervergleich, Hase, herzlichen Dank auch. Politically Incorrect und ich, wir sind ja bekanntlich so eng zusammen, da passt kein Blatt Papier zwischen uns.) Dabei sei es "egal, ob die Menschenrechte verletzt werden", behauptet Isolde Aigner und setzt ihren kleinen Flirt mit der Wahrheit fort, indem sie weiter behauptet, Arne Hoffmann zufolge habe "Herman ja nur gesagt, was stimmt". Ja, ich kann es bestens nachvollziehen, dass die Veranstalter von diesem Auftritt lieber keine Film- oder Audiomitschnitte haben möchten.

Damit ist die Fragerunde beendet, und wir kommen zum Bilden der verschiedenen Arbeitsgruppen. Es stehen vier Themen zur Auswahl: Die Auseinandersetzung mit einem Zitat von Walter Hollstein aus dem Jahr 1989, wofür sich erstaunlicherweise nur zwei Leute melden, die Analyse eines Zeitungsartikels aus dem Kölner Stadtanzeiger, der Bereich "Maskulisten im Netz" und das aktuelle SPIEGEL- Interview von Kristina Schröder. Eugen schaut mich fragend an, ich meine, dass ich mich beim Thema "Maskulisten im Internet" ein bisschen auskennen würde. Also gehen wir in dieser Gruppe und diskutieren über die verschiedenen bescheuerten Zitate, die Isolde Aigner in sicherlich mühevoller Kleinarbeit zusammengetragen hat. Glücklicherweise kommt keiner in unserem Team auf die dämliche Idee, dass wir uns einander - wenigstens mit Vornamen - erst mal vorstellen sollten. Die Mitglieder unserer Gruppe sind wie die meisten anderen hier jung, sympathisch, sichtlich voller Idealismus, ohne jede nähere Sachkenntnis, was das Thema angeht, und nur allzu bereit, so ziemlich alles für bare Münze zu nehmen, was man ihnen hier auftischt. Wir einigen uns ziemlich schnell darauf, dass die ausgewählten Kommentare sehr aggressiv klingen und ihre Verfasser offenbar der Ansicht sind, in einer geradezu totalitären Gesellschaft zu leben. Ich versuche, die anderen ein bisschen mit der Frage zu kitzeln, wie die Betreffenden wohl zu diesem Eindruck gelangt sein mögen. Es entsteht eine gewisse Ratlosigkeit, und ich merke an, wie schade es sei, das diesen Zitaten der komplette Kontext fehlt. Eine kleine Hübsche wirft ein, sie wüsste gerne, auf welche vermeintlichen Fakten sich diese Männerrechtler zu beziehen glaubten. Denn wenn es keine solchen Fakten gebe, hätte sich die Männerbewegung doch sicher bald erledigt. Ich erkläre mit sagen wir: engagiertem Unterton, um das herauszufinden, müsste man wohl die Originaltexte studieren, auf die sich diese Leute bezögen. Zu schade, dass ich versäumt habe, auch Werbeflyer für meine Bücher einzustecken. Typisch – an das AGENS-Gerümpel habe ich gedacht, aber das Wichtigste wieder zu Hause gelassen.

Jetzt sollen alle vier Gruppen ihre Ergebnisse vorlegen. Die erste, wir erinnern uns, hatte sich mit einem Zitat Walter Hollsteins aus dem Jahr 1989 zu befassen, in dem dieser so in etwa vorhersagte, wenn sich für die Anliegen auch der Männer nichts täte, stünde unserer Gesellschaft eine irrationale Sammlung von Männern und deren politische Entladung bevor. Die Arbeitsgruppe beginnt ihre Erörterung mit der Formulierung "Identitätskrise der Männer" und berichtet, schon hier seien die ersten Konflikte in der Debatte entstanden, weil es sehr unterschiedliche Ansichten darüber gab, was genau man mit "Identität" meinen könne und was mit "Männer". Jedenfalls sei die Männerbewegung so diffus, dass man nicht von einer reinen Irrationalität sprechen könne. Zudem verschärfe die Entpersonalisierung im Internet die Debatte. Was viele Männer wahrnähmen, sei wohl der Verlust ihrer Privilegien in Form einer "gefühlten Benachteiligung". Grundsätzlich könne man die Entstehung der Männerbewegung nicht monokausal erklären, sie sei stattdessen sehr komplex. Und man einigte sich mit der Vortragenden schnell, dass es ja auch Gute in der Männerbewegung gebe (etwa den Verein "Dissens"), viele seien schlicht orientierungslos, den Väteraufbruch sieht Isolde Aigner im Zwiespalt zwischen Maskulisten, Spinnern und Konzeptlosen. Was sicher nur ins Unreine gesprochen war. Wie so vieles an diesem noch immer unterhaltsamen Abend.

Die zweite Gruppe sollte anhand des Artikels "Am Ende bin ich doch ihr Chef" einen Realitätscheck der maskulistischen Positionen durchzuführen. Es wird niemanden überraschen, dass der Artikel ebenso wie die Internetkommentare zuvor so ausgewählt war, dass die ohnehin schon ideologisch vorgeprägte Arbeitsgruppe keine Probleme hatte, ganz von selbst zu dem gewünschten Ergebnis zu gelangen: Die Bildungskrise der Jungen hat offensichtlich keinerlei gravierende Folgen, da im Arbeitsleben die Frauen ja sowieso von den Männern diskriminiert und überrundet werden. Gott, wie vieles könnte man dazu sagen ...

Nachdem auch unsere Gruppe ihre dürftigen Ergebnisse vortrug, ist die vierte an der Reihe, die das SPIEGEL-Interview von Kristina Schröder zu analysieren hatte. Die Teilnehmer dieser Gruppe entschuldigen sich schon zu Beginn, man habe die 20 Minuten leider nicht richtig genutzt, weil man die ersten 18 stattdessen über die Dekonstruktion von Geschlecht debattiert habe. In den letzten beiden Minuten gelangte man immerhin zu dem Ergebnis, dass sich Kristina Schröder beim Geschlechtsverkehr nicht unterdrückt fühlt und insofern mit den Maskulisten in Übereinstimmung sei, als auch sie Jungen als Opfer und das Geschlecht als determiniert betrachte. Das war immerhin zur Hälfte richtig. Isolde Aigner gab noch einmal ihrer Fassungslosigkeit darüber Ausdruck, dass Ministerin Schröder Simone de Beauvoir falsch zitiert hatte, und gab danach die offen gebliebene Frage zurück in die Gemeinde: Welche Folgen können Kristina Schröders Äußerungen für unsere Gesellschaft haben?

Der erste wirft ein, dass eine soziale Determiniertheit der Menschen ja auch von Schröder gesehen werde. Wenn man ihre Position aber zu Ende denke, schlage sie eine ziemlich krasse Geschlechtertrennung vor, bei der Menschen, die sich nicht in eine binäre Zweiteilung der Geschlechter einfinden, zu kurz kämen. Der zweite befindet, Schröder sei doch, ähnlich wie Thilo Sarrazin, eine Art Dummy, der mit skandalösen Wortmeldungen nach vorne geschickt werde, um den Raum des Sagbaren freizukämpfen. Isolde Aigner ergänzt, wie problematisch es sei, wenn jemand solche Äußerungen nicht anonym im Internet schreibe, sondern sie von einer Ministerin getan würden. Es gebe in unserer Gesellschaft derzeit wohl einen konservativen Ruck – etwa mit Parteien wie "Die Freiheit", die durch eine ausführliche Berichterstattung im FOCUS gepusht würde, und Leuten wie Hans-Olaf Henkel, der sich tatsächlich erdreiste, im öffentlichen Raum die "Junge Freiheit" zu verteidigen. Ja, allerdings, diesen konservativen Ruck gibt es – und Pappnasen wie ihr tragt mit solchen Veranstaltungen wie heute Abend mehr dazu bei als viele andere. Wenn ich allein daran denke, wie oft ich schon zu lesen bekommen habe "Wenn die selbst einen linken Spinner wie Arne Hoffmann in die rechte Ecke schieben, dann brauchen wir erst gar nicht zu versuchen, uns mit unseren Äußerungen zurückzuhalten" ... Aber diese Dynamik, mit der die Jakobiner der Linken den Haudraufs der Rechten in den Sattel helfen, werden Leute wie Isolde Aigner vielleicht in 20 Jahren begreifen, wenn überhaupt.

Inzwischen sind wir etwas zusammenhangslos beim Bundesforum Männer gelandet, das ja auch von allen Seiten Kritik bekäme: zu christlich, zu wenig masku, zu viel masku ... Isolde Aigner führt das Gespräch auf den FOCUS zurück und erwähnt dabei insbesondere dessen Titelgeschichte vom letzten Herbst "Im Zweifel gegen den Mann", der eine "absolute Hetzkampagne gegen Gender Mainstreaming" dargestellt habe, antifeministisch und mit martialischer Rhetorik. Einer der Verfasser dieses Artikels, Michael Klonovsky, sei "sehr rechtskonservativ", und überhaupt müsse man sich den FOCUS noch einmal genauer anschauen.

Ein weiterer Diskutant macht darauf aufmerksam, wie oft maskulistische Positionen von Frauen vertreten würden, etwa von Eva Herman, Christina Müller und Kristina Schröder. Das habe doch eine viel stärkere Wirkung, als wenn so etwas von den unterdrückenden Männern ausgehe.

Einmal mehr meldet sich unser Bekannter von links hinten zu Wort und vertritt die in diesem Umfeld gewagte These, dass sich die Anliegen des Feminismus doch seit etwa zehn Jahren erledigt hätten und diese Bewegung eigentlich passé sei. Das kann Isolde Aigner natürlich nicht durchgehen lassen. Sie stellt klar, dass wir noch immer keine Gleichstellung erreicht hätten und Frauen noch immer im Patriarchat unterdrückt würden. Die Frau mit dem lila Filzhut meldet sich und findet, wenn diese Diskussion ein Internetforum oder ein Blog sei, würde sie jetzt einfach "Don't feed the troll" schreiben und den Einwand von links hinten ignorieren. Viel spannender sei doch die Frage, welche Chancen die maskulistischen Positionen haben, von unserer Gesellschaft aufgenommen zu werden. Diese Frage finde ich auch spannend, aber wir gelangen hier einmal mehr zu keiner Antwort.

Als letzte Wortmeldung aus dem Publikum äußert eine junge Frau, man könne doch nicht jetzt ständig abwechselnd die Jungen und die Mädchen fördern. Sinnvoll könne es doch nur sein, sich beiden Geschlechtern zugleich zuzuwenden. Ich finde es schade, dass ich ihr nicht unauffällig einen meiner AGENS-Flyer zuschieben kann, erinnere mich dann aber rechtzeitig daran, dass wir ja sowieso die Bösen sind.

Isolde Aigner kommt zu ihrem Schlusswort, das sie nutzt, um die dekonstruktivistische Pädagogik zu empfehlen, die sich dem Zwang zu Geschlechterrollen entziehe. Was zu deutsch wohl bedeuten soll: Ob Junge oder Mädchen, das kann das Kind doch später immer noch entscheiden. Außerdem, so Aigner, müsse man bei der Kritik am Patriarchat die Leistungsbedingtheit in unserer Gesellschaft immer mitdenken. Da hat sie ja nun mal nicht unrecht.

Damit wird der Kreis aufgelöst, und alles strebt auseinander. Eugen und ich überlegen, ob wir uns Frau Aigner kurz vorstellen sollen, sehen dann aber davon ab. Vermutlich würde sie sonst bei ihrem nächsten Vortrag nur berichten, wie sich erst letztens zwei Maskulisten bei ihr in Stasi-Manier ... Moment ... in Gestapo-Manier bei ihr eingeschlichen hätten und sie zum Abschied mit Unflätigkeiten und wilden Drohungen hätten einschüchtern wollen. Das müssen wir nicht haben. Lassen wir diese Frau also besser im Dunkeln; mein Blog liest sie ja offensichtlich nicht. Wir verabschieden uns von ihr, wie es unsere Art ist, mit einem gut gelaunten "Tschöö". Isolde Aigner sieht uns einen Moment lang sinnend nach, während wir hinaus treten in die Ausstellung "Feind ist, wer anders denkt" über die Geschichte der DDR.

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Mein Fazit von diesem Abend? Es ist zunächst einmal nichts anderes passiert als überall: Man greift sich diejenigen Dinge heraus, die einem ideologisch ins bereits bestehende Urteil passen, und lässt alles andere unter den Tisch fallen, damit schwarz und weiß klar getrennt bleibt. Diesem Vorgang begegnet man überall: bei Linken, bei Rechten, bei Libertären, bei Feministinnen wie bei Männerrechtlern. Es gibt derzeit in Deutschland offenbar vor allem drei Leute (Isolde Aigner, Thomas Gesterkamp, Thomas Schmidt), die durch die Gegend dümpeln, um die Männerbewegung mal hier, mal da in die rechte Ecke zu schieben, es gibt ein paar andere, die dasselbe versuchen und nicht klar kriegen, dass sie in Wahrheit nicht einmal Statisten sind, es gibt viele Mitläufer und Trittbrettfahrer, im Bundesforum und außerhalb, und es gibt die ersten, die wild zwischen den beiden Lagern hin und her springen, weil sie nicht einschätzen können, aus welcher Richtung der Wind als nächstes weht. Aber die Debatte bewegt sich voran. Leute wie Eugen und ich sind vermutlich wirklich nur die Dummys, die mit Dreck beworfen werden, aber zum Schluss haben wir dann doch einen Männergesundheitsbericht und sprechen über die Jungenkrise, die vielen männlichen Opfer häuslicher Gewalt und vieles andere mehr. Ich frage mich, ob sich nicht sogar der eine oder andere Teilnehmer dieser lustigen Veranstaltung jetzt doch näher für die Männerbewegung zu interessieren beginnt. Und ich frage mich auch, wie viele von diesen Leuten noch heute Abend nach "Onanieren für Profis" gegoogelt haben. Unsere Gesellschaft wird wohl wirklich immer konservativer. Und ich bin daran Schuld. :-)

Nachtrag: Auch Eugen Maus hat inzwischen seine Eindrücke von der Veranstaltung geschildert.


The fire within us will heal the world!

1 Kommentar:

Bombe 20 hat gesagt…

Ich habe mich bei Arnes Bericht köstlich amüsiert. Also habe ich ihn meiner Freundin gezeigt, die lacht nämlich auch gern.

Aber stattdessen hat sie sich beim Lesen immer mehr aufgeregt und mir dann eine Frage gestellt, mit der sie nicht ganz Unrecht hat:
Wenn da diese Frau durch die Lande reist und ihn öffentlich als Nazi verleumdet, warum erstattet Arne keine Anzeige?

Ich habe zwar versucht, ihr zu erklären, daß er seit der Veröffentlichung seiner Bücher schon eine Menge Anfeindungen abbekommen hat, aber letztlich muß ich ihr schon zustimmen:
Wenn so ein Gesternkamp etwas zu selektiv im Gelben rumliest, daraufhin wirr fabuliert und das "Expertise" nennt, ist das eine Sache. Aber einen namentlich benannten Menschen durch so selektive Faktennennung als Mißachter von Menschenrechten darzustellen, ist schon ein anderes Kaliber. Zudem hat Arne im Forum, das zwar von MANNdat zur Verfügung gestellt wird, aber nicht das MANNdat-Forum ist, ja schon klargestellt, daß er die Sache nicht ganz so lustig empfindet, sondern seinen Blogbeitrag nur so geschrieben hat, damit ihn möglichst viele Leute lesen.

Nun ist es natürlich allein seine Entscheidung, ob er etwas unternehmen will. Aber mal so rein hypothetisch:
Angenommen, eine Klage würde eingereicht und die Medien bekämen -hust- ganz zufällig davon Wind. Wäre das positiv oder negativ für uns?

Einerseits, Any News is Good News, und ein Beitrag über das Thema müßte auch den Maskulismus thematisieren, was sicher einige Leute auf uns und unsere Ziele aufmerksam machen würde. (Mal ganz abgesehen, daß ein rechtskräftiger Strafbefehl oder gar ein Urteil gegen so eine Femi-Tussi ein epischer Sieg und eine Warnung wäre.)

Andererseits haben wir von Eva Hermann gelernt, daß selbst ein Urteil, daß klar feststellt, daß man kein Nazi ist, nichts wert ist, wenn sich in den Köpfen schon etwas anderes festgesetzt hat.

Wie gesagt, ich bin da unentschieden. (Ein Glück, daß es auch nicht meine Entscheidung ist.)